Herbst 2013:
Relaisuhr? Wie kommt jemand auf diese Idee?
Ich habe mich schon immer für die Geschichte der Digitaltechnik interessiert. Mein Vorhaben: ich will eine elektromechanische Digitaluhr bauen, die nur mit Teilen auskommt, die es schon vor 100 Jahren gab!
Die passenden Relais fand ich bei meinem Sammlerkollegen


Herbst 2019
So machte ich mich daran eine passende Schaltung zu suchen. Das gestaltete sich als schwierig. Auf so eine blöde Idee eine Relaisuhr zu bauen, kommen nur wenige. Als erstes suchte ich eine Schaltung für einen 1bit Zähler. Diesen erweiterte ich auf 6 Bit für den Sekunden-und Minutenzähler und 5bit für den Stundenzähler.

Dummerweise reichten meine Relais nicht für eine komplette Uhr. dafür würde ich 68 Relais brauchen. Also musste ich an den Relais sparen und fand eine Schaltung für einen 1bit Zähler mit 3 Relais und zwei Diode. Eigentlich wollte ich keine Halbleiter verwenden. Aber ich glaube, dass es vor 100 Jahren schon Dioden gab. Oder ich rede es mir einfach ein. Mein alter , bereits verstorbener Lehrer, erzählte mal wie er in seiner Jugend Dioden mit Kristallen selber baute.


Dann ging es los in Frühjahr 2020, während der Coronakrise. Genug Freizeit hatte man plötzlich. 3 Monate lang Ausgangssperre an Feiertagen und am Wochenende. Nach 2 Monaten lief der erste Rohbau
Als Antrieb des Pendel wickelte ich eine Spule mit bestimmt 2000 Windungen. In die Spule kam ein Reedkontakt rein. Bei Annäherung des Pendels, schließt der Kontakt. Ein Relais geht in Selbsthaltestellung und wird über ein Zeitglied (R-C) kurze Zeit gehalten, um ein Klappern des Reedkontaktes zu verhindern. Über das Relais entläd sich gleichzeitig ein großer Kondensator und leitet seine ganze Ladung in die Antriebsspule. Diese Antriebsspule gibt dann dem Pendel (darunter ist natürlich ein kleiner Neodymmagnet) einen Schubs

Da das Sekundenpendel mit T=2s zu lang wurde (1m), baute ich ein Sekundenpendel mit T=1s. Den Schubs gibt es dann allerdings jede halbe Sekunde, so dass ich noch einen 1bit Taktzähler in den Antrieb setzen musste. Somit ergibt dieses Mudul genau einen Sekundentakt an den Sekundenzähler



Der Sekunden- und Minutenzähler sind sind identisch aufgebaut. Ich schließe dazu jeweils 6x1bit zu einem Block zusammen. Das Rücksetzen erfolgt dann über die freien Relaiskontakt der unteren Relais. Die Kontakte der entsprechenden Relais schließe ich einfach in Reihe. Bei 60 wird dann die Masse auf den Rücksetzeingang des dritten Bit gelegt, so dass alle Relais abfallen. Der Stundenzähler benötigt ein ein Bit weniger. Der 5bit Block wird dann genau bei 24 zurückgesetzt
Dann ging es an das Design. An der Vorderfront sollen kleine farbige Glühlampen die Dualzahlen für den Sekunden- den Minuten- und den Stundenzähler bilden. Zur jeder vollen Stunde sollen aus den unteren Fittings Nebelwolken, die von oben beleuchtet werden, steigen. Als Nebler möchte ich kleine Ultraschallnebler verwenden, die ich im Elektronikversandhandel entdeckte

Leider fehlt mir hier in Istanbul in meiner Wohnung eine passende Werkstatt, so dass ich das Gehäuse, wie schon bei meine zweite Nixie, beim Tischler in Auftrag gab. Burak aus Cihangir/Çukurcuma ist ein Künstler. Er baut Möbel aus altem Holz, das er neu aufarbeitet. Das hat zwar seinen Preis, aber man sieht den Unterschied zu einfachen Kiefer- oder Fichtenholz.



Leider habe ich mit genau den gleichen Problemen zu kämpfen, wie derzeit die ersten Computerpioniere mit ihren Relaisrechnern. Ein debuggen (also das Absuchen eingeklemmter Wanzen) war zwar nicht notwendig, da die Relais in sich gekapselt sind, aber manchmal klemmen die Relais oder es kommt vor, dass der Rücksetzimpuls zu kurz ist, so dass die Daten nicht weitergeleitet werden. Dann kommt es vor, dass die Uhr mal ein paar Minuten vor oder auch nach geht.
Die Wärmeentwicklung ist mäßig. Ein Relais benötigt beim Anziehen ca 70 mA. Da ich die Relais ziemlich eng auf die Leiterplatte setzte, ist die Wärmeentwicklung doch merkbar. Die Lämpchen ziehen ca 50 mA, so dass ich maximal 2A bei 12V Betriebspannung gemessen habe. Also habe ich noch einen Lüfter vorgesehen. Anfangs hat das Antriebsrelais die vollen 12 V auf die Antriebspule gelegt. Das habe ich dann aber verworfen, da es zu einem merklichen Spannungsabfall gekommen ist. Ich konnte die Gesamtstromstärke merklich senken, wenn das Antriebsrelais nur einen Kondensator über die Spule entlädt. Der Schubs reicht völlig.

Seitlich des Gehäuses habe ich noch 2 Taster vorgesehen, um die Uhr zu stellen. Dabei lege ich einfach die Masse auf den Eingang des jeweils ersten Bits des Minuten und des Stundenzählers.